Plenarreden 2013-2017

17.12.2014: 75. Sitzung / TOP 4 - Aktuelle Stunde zu Folter durch die USA und Folgen für den Kampf um Menschenrechte
 Vizepräsident Johannes Singhammer:

Abschließender Redner in dieser aktuellen Stunde ist der Kollege Michael Vietz, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Michael Vietz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Letzter in einer Debatte zu reden, in der wir eine so grundsätzliche Übereinstimmung haben, kreuz und quer durch alle Parteien, fällt einem natürlich nicht leicht, aber man gibt trotzdem sein Bestes, im Zweifel wiederholt man sich.

Seitdem der Geheimdienstausschuss des US-Senats letzte Woche am 9. Dezember den Bericht zum Haft- und Verhörprogramm der CIA, wie er offiziell heißt, veröffentlicht hat, wird dieser weltweit diskutiert. Man fragt sich, was in den 6 700 Seiten steht, man weiß, was in den 525 veröffentlichten Seiten steht, und man weiß, was in den knapp 170 Seiten steht, die die Republikaner als Ergänzung gebracht haben. Zusätzlich gab es knapp 30 Seiten von Einzelsenatoren. Trotz allem fragt man sich in erster Linie – auch wir haben uns diese Frage gestellt –: Was steht in den 6 700 Seiten? Dieser Bericht hat zu einer weltweiten Aufmerksamkeit und Diskussion geführt, und er wird zu Recht auch in diesem Hause intensiv diskutiert.

Dass diese euphemistisch als erweiterte Verhörmethoden bezeichneten Aktivitäten stattfinden, ist leider keine Neuigkeit. Waterboarding und andere schockierende Praktiken waren uns schon vorher durch zahlreiche Berichte bekannt. Speziell die USA, aber auch wir als westliche Gesellschaft allgemein wurden dadurch in eine schwierige Position manövriert. Viele Menschen sind zu Recht enttäuscht darüber, dass die Vereinigten Staaten, die sich Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen auf die Fahne schreiben, offenkundig und nun auch offiziell dokumentiert foltern. Folter ist und bleibt Folter, egal wie man es nennt. Folter ist grundsätzlich und in jeder Form zu verurteilen.

Wenn ich einen Blick auf den Titel der Aktuellen Stunde werfe, dann muss ich sagen, dass der CIA-Report natürlich Folgen für den Kampf um die Menschenrechte haben wird. Natürlich wird man fragen, wie glaubhaft ein Staat gegen Terrorregime vorgehen kann, der es selbst mit den Menschenrechten nicht ganz genau nimmt, der die Menschenrechte nicht ernst nimmt. Die USA stehen nun am Pranger. Am lautesten wird diese Frage von Regimen gestellt, die selbst die Menschenrechte mit Füßen treten. Das ändert aber nichts an der Brisanz, sich für die Menschenrechte weltweit einzusetzen. Im Gegenteil: Es beflügelt die Diskussion weltweit. Nur in einer starken parlamentarischen Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und auch Freiheit lebt, ist es möglich, so einen Bericht mit all seinen innenpolitischen und außenpolitischen Konsequenzen zu veröffentlichen. Diese Konsequenz würde ich mir auch von dem einen oder anderen Staat auf dieser Welt wünschen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich habe den Eindruck, der halbe Bundestag war letzte Woche in Amerika unterwegs. Auch ich war letzte Woche in Washington

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ich war zu Hause!)

und erlebte vor Ort die ernsthaften Diskussionen im Umfeld der Veröffentlichung des Berichts. Persönlichkeiten wie Senatorin Feinstein und Senator McCain warfen in ihren Beiträgen die berechtigte Frage auf, ob diese Praktiken wirklich den westlichen Werten, den Werten ihres Landes entsprechen, ob ihr Land nicht durch sein praktisches Handeln beweisen muss, dass es besser ist als seine Gegner, dass Recht und Gesetz für alle zu gelten haben, auch und vor allem, wenn auf der anderen Seite der Front nicht die großen Verteidiger der Menschenrechte stehen. Denn auch da gilt: Menschenrechte gelten für alle, selbst für diejenigen, die es mit ihnen nicht unbedingt ernst meinen.

Es wurde auch schon Jakob von Metzler erwähnt. Es lohnt sich, in der Debatte zu fragen: Wie weit würde ich gehen? Die öffentliche Diskussion damals, vor allem nachdem die Gerichte zu Recht festgestellt hatten, dass schon die Androhung von Folter Folter ist, wurde hier bereits erwähnt. Es wurde auch erwähnt, dass wir nicht so ganz unschuldig und rein im Herzen sind, wie wir es vielleicht manchmal wollen. Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass sich Gründe für Folter schnell finden lassen, aber es niemals eine Rechtfertigung dafür gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Den CIA-Report betrachte ich als einen Impuls für die Aufarbeitung und die kritische Auseinandersetzung. Dadurch, dass das Thema öffentlich diskutiert wird, erwarte ich tatsächlich langfristig einen positiven Impuls für den Kampf um die Menschenrechte, einen Impuls, der auch andere folternde Staaten trifft.

Die UN-Antifolterkonvention wurde bis jetzt von 156 Staaten ratifiziert. Mehr als 100 Staaten foltern heute immer noch. Da wir etwas unter 200 Staaten haben, weiß man, dass viele, die die Konvention unterschrieben haben, trotzdem foltern. Hier müssen wir, auch beflügelt durch unsere gegenwärtige Debatte, verstärkt ansetzen.

Menschenrechte gehören generell auf die Agenda internationaler Politik – nicht nur in dieser Aktuellen Stunde und auch nicht nur, wenn es gegen die Vereinigten Staaten geht. Dort findet die notwendige Aufarbeitung nun statt. In zu vielen Ländern sind wir nach wie vor Meilen von einer solchen Aufarbeitung entfernt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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