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03.09.2015, 23:00 Uhr | Michael Vietz MdB
"Keine falschen Erwartungen, aber Schutz und Obdach"
persönliche Betrachtung zum offenen Brief des Landrats und zur Flüchtlingspolitik
Der Hameln-Pyrmonter Landrat hat sich mit einem offenen Brief zur Flüchtlingspolitik an die Bundeskanzlerin und den Niedersächsischen Ministerpräsidenten gewandt. Inhalt und Emotionalität sind zum Teil sicherlich den furchtbaren Ereignissen des vergangenen Freitags in Salzhemmendorf geschuldet. Nichtsdestotrotz gilt es auch in dieser Situation Begrifflichkeiten sauber zu trennen und keine falschen Erwartungen zu wecken.
Michael Vietz MdB
Wenn Flüchtlinge mit Zuwanderern gleichgesetzt werden, verkennt man im Wesentlichen die Gründe, weswegen sie sich auf den Weg machen. In der Regel ist es die Entscheidung gegen das Heimatland und die dortige Situation (Verfolgung, Krieg, Elend), weniger die bewusste Entscheidung für unser Land.

Grundsätzlich gilt es in jeder Diskussion darauf zu achten, die verschiedenen Gruppen und Beweggründe nicht über einen Kamm zu scheren, da dies die notwendige Betrachtungen arg verzerrt. So gibt es Asylanten und Asylbewerber, die einen mit Bleiberecht, die anderen im Verfahren. Es gibt Kriegsflüchtlinge und Flüchtlinge, die einen Ausweg aus der Perspektivlosigkeit suchen. Es gibt diejenigen, die die europäische Freizügigkeit auf der Suche nach neuen Möglichkeiten nutzen. Und dann auch diejenigen, die klassischerweise als Zuwanderer sich für unser Land entscheiden und hier eine neue Existenz aufbauen wollen.

Zur Ehrlichkeit in der Diskussion gehört es, dass am Ende der jeweiligen Verfahren nicht jeder, der möchte, dann auch bleiben kann. Wer Hilfe sucht und wem Vefolgung droht, dem soll Hilfe gegeben werden. Hier dürfen aber keine Erwartungen geweckt werden, die nicht gedeckt werden können. So schwer und traurig dies auch im Einzelfall sein mag.

Jedoch unabhängig davon, hat egal wer warum woher kommt und unabhängig davon, wie lange sie in unserem Land bleiben, ein Recht auf Sicherheit, auf eine gute menschenwürdige Behandlung, auf eine gute Nachbarschaft, schlichtweg auf Schutz & Obdach. Das ist auch ein Gebot unserer Menschlichkeit, unseres christlichen Verständnisses vom Miteinander, vom Schutz der Schwachen und Hilfesuchenden. In diesem Zusammenhang ist es schlichtweg unsere verdammte Pflicht, auch für den Schutz von Flüchtlingsunterkünften zu sorgen.

Gleichwohl gilt es, für jeden Betroffenen so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen, inwiefern er Perspektiven in unserem Land hat. Die Entscheidung über die Anerkennung des Bleiberechts, ein klares ja oder nein, muß zeitnah erfolgen. Das BAMF wurde & wird hierfür personell aufgestockt. Gleiches muß auf für die jeweiligen Verwaltungsgerichte gelten. Beides ist zugegebenermaßen leichter gesagt als vollzogen. Bis es greift braucht es ebenfalls seine Zeit, aber es ändert nichts an den Notwendigkeiten.

Hierzu gehört auch die weitere kritische Überprüfung und Erweiterung der Regelung über sichere Drittstaaten. Es ist sicherlich nicht falsch, Herkunftsländer als sicher einzustufen, bei denen die Anerkennung des individuellen Asylrechts im Promillebereich liegt. Ebenso sollte es klar sein, dass Staaten, die aus guten Gründen die Chancen auf eine Mitgliedschaft in der EU haben, nicht als Brutstätten politischer Verfolgung gelten. Dies würde die Verfahren entzerren und auch bei den Betroffenen für frühzeitige Klarheit sorgen. Hier reicht aber die Erkenntnis im Bundestag allein nicht aus, hier verweigern sich zahlreiche Länder im Bundesrat.

Über Änderungen am Dublin-Abkommen wird diskutiert. Eine komplette Abschaffung ist jedoch nicht die Lösung. Das Flüchtlingsthema ist und bleibt eine gesamteuropäische Aufgabe. Auch wenn viele Flüchtlinge nach Deutschland und Schweden kommen, ihr Hauptziel ist Europa als ihr "Kontinent der Hoffnungen". Hier ist europäische Solidarität gefordert. Sei es durch eine Verteilung nach Quoten, sei es durch eine enge Abstimmung der Asylpolitik, sei es durch gemeinsame Maßnahmen in den Herkunftsländern.

Ein Zuwanderungsgesetz löst das Thema im Übrigen meines Erachtens nicht. Die jetzigen Möglichkeiten und Gesetzeslagen sorgen schon für eine sehr liberale Einwanderungspolitik. Sicherlich kann man diskutieren, ob man dieses in einem Gesetz bündelt und zusammenfasst. Aber auch hier gilt am Ende des Tages, dass nicht jeder der möchte, dann auch kommen oder bleiben kann. Auch hier müssen wir entscheiden, und durchsetzen, welche Art von Zuwanderung wir in welcher Größenordnung haben wollen. Auch hier gilt es, keine falschen Erwartungen zu wecken. Weder im Inland, noch bei den Flüchtlingen. Tatsächlich werden auch hier viele Betroffene und viele derjenigen, die jetzt in unserem Land nach Perspektiven suchen, durch das Raster fallen.

Letzten Endes wird man des Themas nur Herr durch eine Änderung der Situation in den Herkunftsländern. Dies ist aber nicht kurzfristig zu erreichen, in manchen Fällen wird es auch kaum umsetzbar sein. Der Terror des Islamischen Staates, Bürgerkriege und Perspektivlosigkeit sind nur einige der Herausforderungen, denen sich hier zu stellen gilt und die alle Instrumente der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik erfordern. Hier gilt ebenfalls, dass wir eine gesamteuropäische Strategie brauchen. Sowie einen langen Atem.

Grundsätzlich stehen wir in Deutschland und Europa sicherlich vor einer großen Herausforderung. Aber wie unsere Kanzlerin bin ich mehr als zuversichtlich, dass wir dieser gerecht werden, sie jetzt und in den nächsten Jahren bewältigen können. Es gibt tatsächlich schlechtere Komplimente für unser Land, als die Überzeugung vieler Schutzsuchender, dass sie diesen Schutz hier finden können.

Die Hilfsbereitschaft in unserem Land, das ehrenamtliche Engagement, die Unterstützung für alle Arten von Flüchtlingen ist weiterhin groß und verdient allerhöchste Anerkennung. Diese "Welle der Menschlichkeit" macht stolz auf unser Land und seine Bürger. Diese Menschen sind das wahre Deutschland.

Kommentare
21.02.2016
Flüchtlinge
von Uwe Klüter
Es gibt leider nicht nur die armen, nach Frieden suchenden Bürgerkriegsflüchtlinge, gut ausgebildet, mit süßen Kindern, ideal geeignet, unseren Fachkräftemangel zu ergänzen und unsere Rente zu sichern. Sprechen wir es doch deutlich aus: Wir brauchen ein Sieb, um Spreu vom Weizen zu trennen! Also Aufnahmezentren vor Ort, von wo aus man legal Asyl beantragen kann, alle anderen bleibt der Weg versperrt! Das Asylrecht soll damit nicht ausgehöhlt werden, ganz im Gegenteil, ich möchte, das wir die maximale Zahl von Menschen helfen, die von Folter, Bürgerkrieg und Verfolgung bedroht sind. Diese Hilfe kann man teilweise vor Ort oder in sicheren Nachbarländern effektiver leisten. Hier prallt Ihnen zusätzlich noch eine Kultur entgegen, die diesen traumatisierten Menschen fremd ist.
 

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